Gerätekraftwagen I

In jedem guten Haushalt gibt es eine Werkzeugkiste. Das THW besitzt eine auf Rädern: den Gerätekraftwagen (GKW).

Bei der Bergungsgruppe (BGr) des 2. Technischen Zuges (2. TZ) leistete von Dezember 2019 bis September 2020 ein Gerätekraftwagen (GKW), Typ 72, Baujahr 1982, auf einem mittelschweren Kurzhauber-Allrad-Fahrgestell, Typ LA 1113 B MA, von Mercedes-Benz mit Kofferaufbau von Lentner seinen Dienst. Zuvor war dieser GKW bereits in den Ortsverbänden (OV) Michelstadt, Heppenheim und zuletzt im OV Gießen stationiert. Das Fahrzeug ersetzt einen GKW 72, Baujahr 1991, auf Iveco Magirus 120-23 AW mit Kögel-Aufbau, der seit Anfang 2011 der BGr des 2. TZ zugeteilt war, jedoch Ende 2018 aufgrund starker Korrosion an Fahrerhaus und Aufbau ausgesondert werden musste. Da auch dieses Fahrzeug die veranschlagte Nutzungsdauer bereits deutlich überschritten hatte, wurde es im September 2020 durch einen GKW der jüngsten Beschaffung auf MAN TGM 18.290 4x4 BB mit Kofferaufbau von Freytag ersetzt.

Das Fahrgestell

Das zweiachsige Lastkraftwagen-Fahrgestell stammt von Mercedes-Benz und ist in Kurzhauber-Bauweise ausgeführt, das heißt, Motor und Vorderachse sind vor dem Fahrerhaus angeordnet, der Motor ragt jedoch etwas in das Fahrerhaus hinein. Die Typenbezeichnung LA 1113 B steht für Lastkraftwagen mit Allradantrieb, 11 t zulässige Gesamtmasse und 130 PS Motorleistung der dritten Serie (B-Modell). Der im GKW verbaute 6-Zylinder-Reihenmotor OM 352 A mit 5,7 l Hubraum und Abgasturbolader leistet jedoch 168 PS. Das Fahrzeug verfügt über einen zuschaltbaren Allradantrieb und eine Geländeuntersetzung. Die doppelbereifte Hinterachse besitzt eine Differentialsperre.

Fahrerhaus und Kofferaufbau

Als Gerätekraftwagen 72 war das Fahrzeug ursprünglich für den Transport von Personal und Ausstattung einer Gerätegruppe der bis Ende 1994 existierenden Bergungszüge ausgelegt. Dadurch ergeben sich Unterschiede zum aktuellen Gerätekraftwagen. So verfügt der GKW 72 beispielsweise nur über ein Doppelfahrerhaus mit zwei Sitzreihen und sieben Sitzplätzen, während im Fahrerhaus der aktuellen GKW-Generation auf drei Sitzreihen alle neun Helfer einer Bergungsgruppe Platz finden. Auch der Kofferaufbau fällt etwas kleiner aus und besitzt nur fünf Geräteräume. Diese sind über abklappbare Bordwände, die seitlich über die gesamte Länge des Kofferaufbaus reichen, und Rolläden oberhalb der Bordwände zugänglich. Die Ausstattung lagert größtenteils in herausnehmbaren Gerätekisten und -schubfächern aus Holz und Aluminium. Aufgrund der geringeren Größe des Kofferaufbaus und der geringeren Nutzlast des Fahrgestells, können einige Ausstattungsgegenstände nicht auf dem Fahrzeug verlastet werden.

Die Geräteausstattung

Trotzdem wird auf dem GKW 72 ein Großteil der Geräteausstattung der Bergungsgruppe mitgeführt. Darunter finden sich Geräte zum Anheben und Bewegen von Lasten, wie pneumatische Hebekissen, ein Drahtseil-Zuggerät und das hydraulische Hebe- und Pressgerät. Für die Holz-, Metall-, Stahlbeton- und Steinbearbeitung sowie für Erdarbeiten stehen Bohrhämmer, Trennschleifer und Motorsägen sowie eine umfangreiche Handwerkzeug- und Werkstattausstattung zur Verfügung. Eine Tauchpumpe, Schläuche, ein Standrohr und weiteres Zubehör bieten Möglichkeiten zur Wasserentnahme und -förderung. Zur Bekämpfung von Enstehungsbränden wird ein Feuerlöscher und eine Kübelspritze vorgehalten. Ein tragbarer 8-kVA-Stromerzeuger und mehrere Flutlicht-Scheinwerfer auf Teleskop-Dreibeinstativen stellen die Stromversorgung und eine ausreichende Beleuchtung an der Einsatzstelle sicher. Für die Menschenrettung und das Überwinden von Hindernissen werden Krankentragen, Schleifkorb und Bergeschleppe, tragbare Leitern, ein Auf- und Abseilgerät, Auffanggurte und Pionierwasserhosen mitgeführt. Zum Schutz der Helfer steht eine Arbeitsschutz- und Hygieneausstattung zur Verfügung. Darüber hinaus ermöglichen vier Pressluftatmer den Einsatz bei Sauerstoffmangel oder giftigen Gasen und Dämpfen in der Umgebungsluft.

Die Seilwinde

Im Fahrzeugrahmen zwischen Vorder- und Hinterachse ist die hydraulische Seilwinde des GKW mit 50 kN Nennzugkraft untergebracht. Die Hydraulikpumpe der Trommelwinde wird über einen zuschaltbaren Nebenabtrieb am Getriebe angetrieben. Das 60 m lange Drahtseil wird von der Seiltrommel aus zunächst zum Fahrzeugheck geführt, wo sich der hintere Seilaustritt mit einer Umlenkung befindet. Von dort aus wird das Seil durch den Fahrzeugrahmen zum vorderen Seilaustritt geführt. Wird das Seilende am vorderen Seilaustritt mit einem Gegenhalter befestigt, kann die lose Rolle aus der Umlenkung am hinteren Seilaustritt herausgezogen und an der Last angeschlagen werden. Dadurch lässt sich die Zugkraft am hinteren Seilaustritt nach dem Prinzip des Flaschenzuges auf maximal 100 kN verdoppeln.

Verwendungszweck

Der Gerätekraftwagen I dient als

  1. Transportfahrzeug
    • Aufnahme der Bergungsgruppe einschließlich der persönlichen Ausstattung
    • Transport der Geräte- und Werkzeugausstattung der Bergungsgruppe
    • sowie von einsatzbedingter Zusatzbeladung bzw. Sonderausstattung
    • Arbeitsplatz/Befehlsstelle der Zugführung (bei anderweitiger Nutzung des MTW)
  2. Arbeitsgerät
    • durch im Fahrgestell eingebaute, hydraulische Seilwinde mit 50 kN bzw. 100 kN Zugkraft
    • durch Verwendung als Arbeitsplatz zur Wartung/Instandsetzung der Ausstattung und zur Vorbereitung von Hilfskonstruktionen
    • Sprechfunkstelle mit fest eingebautem Funkgerät
  3. Zugfahrzeug
    • für Anhänger bis 11 t zGM
Funkrufname:
HEROS Wetzlar 27/51
Kennzeichen:
THW–86182